KomPostZeitschrift02

Rechts-, Links-, Geradeaus- und Rückwärtsschreibung
von unserer Lektorin Konsuela Buddelbruck


Ach ja, die Rechtschreibreform der vergangenen Jahre hat den gelangweilten Intellektuellen so richtig was zum Werkeln gebracht: Endlich kann gemotzt und gestritten werden, auf dem Podium gefordert und politisch agiert mit Unterschriftenlisten für und gegen und die armen Kinder und die tollen Denker von anno dazumal und die Alten und die Neuen und die Jungen und die Ewiggestrigen ...

Wozu die ganze Aufregung? Wenn doch immer alles beim Alten bleibt, ob mit dass oder daß oder umso oder um so oder Majonäse oder Mayonnaise oder Komma vor und oder auch nicht Komma vor und mit einem Hauptsatz oder ... Der Duden ist weiterhin gelb, kostet nicht weniger oder mehr als mit der alten Schreibung, heißt immer noch Duden , und die Kinder gehen immer noch in die Schule und bekommen immer noch Zensuren und werden immer noch bestraft oder gelobt, wenn sie etwas tun oder lassen, was ihnen vorgeschrieben wurde.

Da verbieten große Denker ihren Kindern, nach der neuen Rechtschreibung zu lernen, während sie ihren Kindern zuvor erlaubt haben, nach der alten Rechtschreibung zu lernen, um sie dafür loben oder bestrafen zu lassen. Muss da erst ein Stein aus dem längst brüchigen Mosaikgemälde gezogen werden, um die Brüchigkeit des Bildträgers wahrzunehmen?

Und wie sie aufschrieen, die großen Kenner der guten alten deutschen Sprache, wie kann man nur, wie kann man nur ...

Sicher, unbequem ist jede Art von Lockerung althergebrachter Gesetze, und ich schreibe nach wie vor die Brennessel mit zwei n, weil ich drei einfach hässlich finde. Aber das ein und andere finde ich durchaus plausibel und begrüßenswert, wenn ich im Großen und Ganzen nur die Bemerkung übrig habe: Wozu die ganze Aufregung? Sollten die kleinen Kitzeleien in der deutschen Rechtschreibung nicht endlich dazu anregen, die Grundlage unseres Lehr-/Lernsystems von tief unten zu hinterfragen? Das Schulsystem? Die aufgepfropfte Bildung, die unseren Kindern das Erleben und Begreifen vermiest oder gar nicht erst einen Platz dafür bereithält?

Der Zwang besteht weiterhin, ob das Kind nun dass oder daß schreibt. Und das Schreiben wird den Kindern auch mit einer weiteren Reform innerhalb dieses abgesteckten Systems nicht mehr Spaß machen als zuvor. Kreativität hat in unserer Schule nichts zu suchen, und Fehler bleiben Fehler, gehören bewertet und bestraft.

Aber bitte: kitzelt euch nur neckisch mit kleinen Buchstaben und haut euch die Duden um die denkenden Köpfe ... das lenkt fein ab vom eigentlichen Problem und lässt das Wort Konsequenz bequem in seinem gedruckten Zustand im Buche schlafen, während das Leben armseelig hinterherhinkt ...

Probleme haben die Leute ...

 

 

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© 2001 J. Riedel-Henck

 

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