KomPostZeitschrift03

Leserbriefe
an die Reh-Dax-Ion


Dieser verzweifelte Leserbrief von Anastasia Remmbremmerdeng erreichte unsere Mitarbeiterin Konsuela Buddelbruck (Lektorin) auf Grund ihres Artikels » Rechts-, Links-, Geradeaus- und Rückwärtsschreibung« zu später Stunde während eines Telefonats mit der Düden-Redaktion:

(Lesen Sie bitte auch den folgenden Lehserbriev von Emilia Schalotti.)

 

Werte Konsuela,

ich widerspreche Ihnen ungern, doch nachdem Sie so frisch und unbedarft in die Welt fragen, ob die Leute sonst keine Probleme hätten, gehe ich davon aus, dass Sie im Gegensatz zu mir das Rechtschreib-Trauma unbeschadet überstehen konnten. Und so komme ich nicht umhin, Ihnen von meinem beklagenswerten Schicksal zu berichten.

Es war einmal ein kleines Mädchen, das bereits im zarten Alter von vier Jahren begann, sich für den wichtigen Duden-Prägestempelvorgang bereit zu machen. Vorangegangen war ein entsetzlich peinliches Erlebnis mit dem allerersten selbstständig geschriebenen Wort (»Täläfon«), das in der Runde der anwesenden Erwachsenen für irres Gelächter sorgte, was dem kleinen Mädchen das Herz schier zerriss.

Die arme Göre war ich natürlich selbst – und schwor mir mit zusammengebissenen Zähnen, nie wieder als orthographische Witzfigur herzuhalten. Ich las also und las und lernte jedes einzelne Wort und jede noch so abwegige Regel anhand der Märchenbücher, von denen ich jeden Monat ein neues von meinem Vater bekam.

Die ersten Früchte zeigten sich dann in der Grundschule, als ich fleißig Sternchen sammelte und für das furiose rote Korrektur-Gekritzel neben den Rechtschreibfehlern meiner Mitschüler nur ein müdes Lächeln übrig hatte.

Das alles gipfelte dann in einem ausgeprägten ästhetischen Empfinden bezüglich der deutschen Sprache, das ich jedoch mitnichten selbst entwickelt hatte, sondern das mir durch die Herren Duden & Co. aufgepfropft worden war. Diese Erkenntnis war mir Knirps jedoch nicht zugänglich. Stattdessen bildete sich in meinem Körper ein zusätzlicher Nerv, dessen Ursprung direkt im Sprachzentrum des Gehirns sitzt, von wo er durch das Rückenmark hinabzieht bis auf etwa die Höhe des dritten Lendenwirbels.

Wann auch immer ich irgendwo ein falsch geschriebenes Wort entdecke, und sei es nur ein harmloser Tippfehler, schießt ein gleißender Schmerz zwischen dem dritten und vierten Lendenwirbel ein, der sich von dort mit der Gewalt einer zerstörerischen Motorsäge durch meinen linken Oberschenkel pflügt, von wo er bis in die linke Großzehe ausstrahlt, welche dann in der Konsequenz mit Erreichen des 25. Lebensjahres bereits auf die doppelte Größe der rechten angewachsen war.

Inzwischen musste ich längst jeweils zwei Paar Schuhe desselben Modells kaufen, denn rechts trage ich Größe 37, links jedoch inzwischen 44, Tendenz steigend. Das ist ein enormer Kostenfaktor, ganz davon abgesehen, dass ich inzwischen kaum mehr gehen kann, so dass ich einen Schwerbehinderten-Ausweis sowie einen Rollstuhl beantragen musste.

Ich beschloss also, einfach nichts mehr zu lesen, um zumindest das weitere Größenwachstum der Großzehe zu stoppen. Das erwies sich jedoch als nicht durchführbar, so dass ich es mit autogenem Training, beruhigenden Kräutertees, Hypnose, Besprechen der Zehe durch eine hässliche alte Hexe und sogar Eigenurin-Umschlägen versuchte.

Als nichts half, schritt ich zum Äußersten und zündete in der nächstgelegenen Kirche, zu der ich mehr gekrochen denn gegangen war, 23 Kerzen an. Es tat sich nichts.

Ich fasste also eine chirurgische Intervention ins Auge, doch justament in diesem Augenblick bildete sich eine so genannte Experten-Kommission aus einer Handvoll unterbeschäftigter Volltrottel. Diese Kommission beschloss, die deutsche Rechtschreibung in einer Weise zu reformieren, die die orthographischen Eigenarten ihrer unterbelichteten Gattinnen mit sofortiger Wirkung legitimieren sollte.

Ich weiß aus sicherer Quelle, dass zur Erfassung der reformwürdigen Begriffe die Einkaufszettel ebendieser Damen über einen Zeitraum von 17 Monaten gesammelt und penibel ausgewertet wurden. Beispielsweise fand sich auf exakt 83 dieser Supermarkt-Gedächtnisstützen der Satz: »Portmonee nicht vergessen!«, womit das Schicksal des frankophonen Geldbeutels schon so gut wie besiegelt war.

Sie können sich schon denken, dass sich unglücklicherweise sowohl Nugat als auch Majonäse und Schikoree auf den Einkaufszetteln fanden. Den Tunfisch und die Gämse hingegen haben wir einem Diktat von 50 per Zufallsgenerator ausgewählten Begriffen aus Brehms Tierleben zu verdanken – bei gleichbleibenden Probandinnen versteht sich.

Dass in Zukunft Dränagen mit Bravur von selbstständigen Tollpatschen gelegt werden, hat mit dem Kommunikee des potenziellen Kängurus zu tun, das nicht im Varietee auftreten kann, wenn es an Katarr leidet und dauernd aufwändig schnäuzen muss. Die Fassetten seines Könnens sind also während des Winters nur in den substanziellen Stillleben zu erkennen, die es nach Beatmung aus der Sauerstoffflasche (Hey!!! Das kannten wir schon, oder?) immer malt, wenn es gerade keine Sketsche schreibt. Capito?!

Nun wage ich es nicht, die neuen Regeln wirklich zu lernen, denn die alten lassen sich nicht mehr aus dem Schmerzgedächtnis meines zusätzlichen Nerven löschen, so dass ich ernsthaften Schaden für meine bislang vom Gigantismus verschonten Zehen befürchte, wenn ich mein Sprachzentrum mit weiteren Regeln behellige.

Außerdem bin ich der Meinung, dass eine einmalige diktatorische Rechtschreibe-Prägung für ein einziges Menschenleben genug sein muss . Ich lasse mir keine weiteren Regeln von aufgeblasenen Korinthenkackern aufoktroyieren, auch wenn sie das vermutlich nun anders schreiben.

Wo kämen wir denn da hin? Was passiert wohl, wenn die unterbelichteten Kommissionärs-Gattinnen erst spitz kriegen, dass sie plötzlich wie von Zauberhand alles richtig schreiben, sich als Sekretärinnen bewerben und ihre gesetzgebenden Langweiler-Gatten sitzen lassen, die sich daraufhin neue Gespielinnen aus dem weltweiten Netz der Cyber-Weiber suchen? Dann heißt es nämlich plötzlich „cu“ im Duden und „lmao“, „brb“ und „4give me“.

Jedenfalls riskierte ich immerhin die Form meiner linken kleinen Zehe, um mir zumindest einen groben Überblick über Doppel-Ess, Ess-Zett und die neuen Trennungsregeln zu verschaffen, da meine Tochter ja noch unverbildet ist und manches Mal ihre verkrüppelte Mutter um Auskünfte bittet.

Da ich jedoch immer nur mit einem halben Auge in die neuen Regeln blinzle, konnte ich immer noch nicht herausfinden, ob es inzwischen Scheisse oder immer noch Scheiße heißt. Ich bleibe jedenfalls todsicher bei letzterer Version, da dies die einzige Kacke ist, die in meinem Gehirn unauflöslich sowohl mit der Rechtschreib-Reform als auch mit dem Bild eines stinkenden braunen Haufens verknüpft ist.

Und so kann ich wenigstens meinen allerersten Merkspruch für meine Tochter gemäß der neuen Regeln updaten:

»Trenne ruhig Ess-Tee,

doch es tut mir scheißweh!«

Passen Sie gut auf Ihre Füße auf!

rät Ihnen


Anastasia Remmbremmerdeng

 

 

Liebe Frau Buddelbrock,

ich habe mich sehr über Ihren Atickel gefroit. Aber diese bohdenlose Frau Remmbremmerdeng geet mir ächt sowas fon über die Huhtschnuhr.

Jedenvalls hatt mein Mann mir erklährt, das mann jezt alles so schreibt wie es die Sau die sich im Dräk suult auch schreiben würde.

Seitdehm traue ich mir auch wihder, die Hausaufgahben meiner Kinder zu kondrolihren. Und einen Sendwitsch Mäjka werde ich mir auch zu Weinachten beschdellen.

Mit froindlichen Grühsen

Emilia Schalotti

PEE ESS: Bekome ich ein Hohnorahr wenn Sie meinen Briev feröffendlichen?

 

Liebe Frau Schalotti,

auf Ihre Frage bezüglich des Honorars kann ich Ihnen nach Rücksprache mit der Redaktion folgende Mitteilung machen: Leserbriefe werden grundsätzlich nicht honoriert, in Ihrem Falle wollen wir aber eine Ausnahme machen, da Sie unserer Mitarbeiterin Frau Buddelbruck so freundlich zugestimmt haben. Bitte senden Sie Ihre Bankverbindungen an die Kundenbetreuerin Frau Lebkuchenherz, die eine Überweisung in Höhe von DM 1,98 an Sie vornehmen wird, sobald Ihre Daten bei uns eingegangen sind. Zudem teilen Sie ihr bitte mit, ob Sie umsatzsteuerpflichtig sind, und, falls ja, mit welchem Prozentsatz. Ansonsten benötigen wir für die weitere Bearbeitung Ihre Lohnsteuerkarte. Von dem Honorar werden in diesem Falle abgezogen: DM 0,52 Lohnsteuer, DM 0,13 Kirchensteuer, DM 0,27 Solidaritätszuschlag, der Nettobezug würde demnach DM 1,06 betragen, den wir Ihnen in Form einer Briefmarke zuschicken würden, um die Bankspesen von DM 2,00 zu umgehen. Da die Portokosten der zu sendenden Briefmarke jedoch über dem Wert des Nettobetrages liegen, müssten wir uns auf die Zusendung einer Postkarte beschränken. Bitte lassen Sie uns wissen, in welcher Form wir Ihnen das Honorar zukommen lassen sollen.

Mit recht freundlichen Grüßen

i. A. Liselotte Niespulver

 

 

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